Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

 

Winterbetrieb von Abwasserbehandlungsanlagen mit Nitrifikation, Denitrifikation und biologischer P-Elimination unter Winterbedingungen

 

1. Einleitung

In letzter Zeit wird häufig dargestellt, dass das saisonal erhöhte Auftreten fädiger Mikroorganismen, insbesondere von Microthix parvicella, in Kläranlagen mit Nitrifikation/Denitrifikation und biologischer P-Elimination zur Erhöhung des Schlammvolumenindex ISV und zu Schaumbildung auf den aeroben Beckenzonen und im Faulbehälter führt. Das Fraunhofer IGB hat durch Untersuchungen an der Kläranlage des AZV Heidelberg festgestellt, dass die filamentösen Mikroorganismen, die in den Denitrifizierungs- und Nitrifizierungszonen entstehen, den Schaum verursachen /1 Sternad, Kempter/. In diesem Vortrag wird richtig dargestellt, dass bei Substratlimitierung die fädigen Mikroorganismen wegen ihrer kleineren Sättigungskonstanten trotz der geringeren Wachstumsgeschwindigkeit im Vorteil gegenüber den Flockenbildnern sind. Dass die Konzentration des Gelöstsauerstoffs eine entscheidende Rolle spielt, ist ebenso klar, denn auf dem wechselnden Partialdruck des Gelöstsauerstoffs beruht der gesamte Prozess der biologischen P – Eliminierung sowie der Nitri-/Denitrifikation. Ebenso zutreffend sind die Darlegungen zum Sauerstoffeintrag über die Phasengrenzflächen, die im Winter effektiver ablaufen als im Sommer. Es stellt sich die Frage, was ist Ursache und was ist Wirkung? Verursachen die filamentösen Mikroorganismen die Schaumbildung oder profitieren sie lediglich von den Ursachen, die zur Schaumbildung führen?

 

2. Biochemische Grundlagen des Prozesses

Beim Betrieb dieser Anlagen wird zur Erreichung hoher Abbauleistungen eine Optimierungsmethode im Sinne biochemischer Strategien für eine „Überproduktion" bei der Stoffwechseltätigkeit der Mikroorganismen angewendet. Das heißt nichts anderes, als dass durch Manipulation des Stoffwechsels der Mikroorganismen deren im Laufe ihrer Evolution erworbenen Regelmechanismen technologisch genutzt werden, indem bei den enzymkatalysierten Reaktionen sowohl die Prozessgeschwindigkeit erhöht als auch die Gleichgewichtslage der Reaktionen verschoben werden /2 Ott/. Die Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit erfolgt hierbei durch die Erhöhung der Konzentration der Substrate und der Enzyme. 

Die flockenbildenden Mikroorganismen bilden an der Zellaussenwand einen schleimigen Belag durch Aussonderung von Exoenzymen, dessen Zusammensetzung in Abhängigkeit vom Substratangebot variiert. Sind Kohlehydrate und Fette in ausreichender Konzentration vorhanden, besteht die Exoenzymschicht hauptsächlich aus Polysaccharid – Lipoid – Hydrolasen die auf Grund ihres hohen Molekulargewichtes als Flockungsmittel wirken und zur Flockenbildung des Belebtschlamms führt. Überwiegen Eiweißstoffe als Substrat, besteht dieser Belag aus Exopeptidasen und Amidasen, um nach Umschaltung auf den Eiweißstoffwechsel überleben zu können. Die guten Flockungseigenschaften gehen damit weitgehend verloren. 

Substratmangel, Temperaturshift, Wechsel der Gelöstsauerstoffkonzentration führen zur Akkumulation von Nucleosidpolyphosphaten, die eine dem hormonalen System höherer Lebewesen analoge Funktion haben und die Bildung extrazellulärer und intrazellulärer Proteasen auslösen. Extrazelluläre Polysaccharid – Lipoid - Hydrolasen stellen durch die Hydrolyse von makromolekularen Verbindungen den Zellen niedrigmolekulare, leicht assimilierbare Bausteine, wie Glucose und niedere Alkansäuren zur Verfügung. Dieser Vorgang wird insbesondere in der Phosphatfreisetzungsstufe der Abwasserbehandlungsanlagen genutzt. Die intrazellulären Proteasen beschleunigen hauptsächlich den Proteinturnover und haben somit eine große Bedeutung für die Bereitstellung von Aminosäuren und damit eine selektierende Wirkung auf die Wachstumsmöglichkeiten. Die Flockenbildner (Flockenbildung durch die Wirkung von Exoenzymen bei polyauxischem Substratangebot zur Erschließung neuer externer Substratquellen) benötigen höhere Konzentrationen an Kohlehydraten und Fetten während der logarithmischen Wachstumsphase während die filamentösen Mikroorganismen ihre günstigsten Entwicklungsmöglichkeiten bei Vorhandensein eines ausreichenden Angebotes an Substrat hauptsächlich in Form von Eiweißverbindungen (z.B. aus der Zellyse der Flockenbildner) haben und mit geringen Konzentrationen an Kohlehydraten und Fetten auskommen. Diese Form der Zellyse erfolgt nach Erschöpfung des externen Substratangebotes in der Nachklärung. 

Eine weitere Wirkung des Intervallwechsels der Gelöstsauerstoffkonzentration besteht in einer tiefgreifenden regulatorischen Veränderung des Metabolismus der Mikroorganismen, die zu einer Verringerung des Sauerstoffbedarfs durch hydrolytische Spaltung hochmolekularer organischer Verbindungen durch die als Exoenzyme ausgestoßenen Hydrolasen in der anaeroben Phase (Phosphatfreisetzungsstufe) und der Induktion bzw. Aktivierung von Transportsystemen für verschiedene Metaboliten führt. In Abhängigkeit von der Verzögerungszeit des mikrobiologischen Systems werden in kurzen Intervallen anaerobe und aerobe Milieuzustände eingestellt. Dadurch erfolgt eine Verstärkung der Redoxreaktionen durch primäre Dehydrogenasen, die die Oxidierung der organischen Verbindungen durch Dehydrierung, am häufigsten unter Nutzung von Nikotinamidadenindinukleid (NAD) als Wasserstoffionenakzeptor, realisieren. Dabei erfolgt der Abbau der hochmolekularen Verbindungen in einer Kaskadenreaktion, wobei das Produkt der Ausgangsreaktion das Substrat der folgenden Reaktion darstellt. Die Erhaltung der Gleichgewichtslagen dieses Prozesses ist deshalb von ausschlaggebender Bedeutung für die Stabilität des Prozesses. Die unterschiedlichen Verzögerungszeiten bei hohen und niederen Abwassertemperaturen werden dabei oft technologisch nicht ausreichend beachtet. 

Die Inhomogenitäten des Gelöstsauerstoffs tragen auf diese Weise dazu bei, dass der größte Teil der hochmolekularen organischen Verbindungen durch Dehydrierung mittels Dehydrogenasen und im weitern durch hydrolytische Spaltung von Bindungen durch Hydrolasen in niedrigmolekulare Verbindungen überführt wird. Dadurch wird gegenüber der Oxidation unter homogenen Milieubedingungen eine erhebliche Verringerung des Sauerstoffverbrauchs erreicht und damit die Nitrifizierung des Ammoniums beschleunigt. 

Eine weitere Form der Erhöhung der Effektivität der biotechnologischen Verfahren besteht in der Fixierung von Mikroorganismen und deren Exoenzymen an sogenannten Aufwuchsträgern, die günstige Bedingungen für die Entwicklung von langsam wachsenden sessilen Mikroorganismen, wie Nitrosomonas und Nitrobacter bieten. Immobilisierte Mikroorganismen haben eine höhere Prozessgeschwindigkeit durch die Beeinflussung der elektrischen Doppelschicht der Kolloidpartikel und die Aktivierung von Exoenzymen. Unterstützt wird dieser Vorgang durch die elektrokinetischen Erscheinungen der Grenzflächenwirkungen und die dadurch bedingten Änderungen der Dichte und Zusammensetzung der Substanzen in molekularen Größenordnungen senkrecht zur Grenzfläche. 

Ein Phänomen, das dabei auftritt, besteht darin, dass fixierte proteolytische Enzyme auch außerhalb der Zelle in vielen Fällen unter bestimmten Temperaturbedingungen ihre volle biogene Aktivität behalten. (Diese Wirkung wurde in letzter Zeit häufig an den Belüftungseinrichtungen mit flexiblen Membranen beobachtet). Dadurch dass auch die Hydrolasen an den Aufwuchsträgern fixiert werden, wird eine biogene Aktivität der Enzyme außerhalb der Zelle im psychrophilen Temperaturbereich erzielt, die ohne Trägermaterial oder bei Auftreten höherer Konzentrationen an wasserlöslichen Seifen durch das Herabsetzen der Oberflächenspannung des Wassers nicht erreicht wird. An den Oberflächen eines aktiven Trägermaterials stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Abbau der organischen Stoffe und Abstoßen der oxidierten Produkte ein. Dabei hemmt eine dichte Belegung mit Mikroorganismen diesen Prozess bei aktivem Trägermaterial nicht. Die bei großen Belebtschlammflocken auftretende Limitierung der Diffusionsprozesse tritt deshalb bei den trägerfixierten Mikroorganismen nicht auf.

 

3. Die Wirkung der Metaboliten und der Substanzen der Autolyse der Zellen

3.1 Einfluss auf die Flockungseigenschaften und den Schlammvolumenindex

Eine „Überlebensstrategie" der Mikroorganismen besteht darin, dass sie ihren Stoffwechsel äußerst schnell an drastische Veränderungen des Sauerstoff- und Nährstoffangebotes, der Temperatur und anderer Umweltbedingungen anpassen können. Demzufolge werden sie während der aeroben Phase bei Vorhandensein eines entsprechenden Nährstoffangebotes einen stürmischen Baustoffwechsel betreiben. Dabei werden die organischen Inhaltsstoffe des Abwassers abgebaut und in Form von Einzellereiweiß und Nucleinsäure als Zellsubstrat synthetisiert. Enthält die flüssige Phase weiterhin ausreichend gelöste Phosphate, werden diese zur Vermeidung einer Überhitzung der Zelle durch zu hohe Wärmefreisetzung im Stoffwechselprozeß in Form von Polyphosphatspeichern (Valutingranula) als energiereiche Phosphoproteide in die Zelle eingelagert. Während dieser stürmischen Wachstumsphase werden endogene Proteasen als Enzyme zur katalytischen Beschleunigung dieses Vorgangs in proportionaler Menge zum Massezuwachs an organischer Substanz gebildet. Als C-Quellen dienen hierbei Kohlehydrate und Fettverbindungen. 

Zunächst werden die im Abwasser befindlichen niedrigmolekularen Substrate, wie Monosaccharide oder niedere Alkansäuren, aufgenommen. Sind diese Quellen erschöpft, erschließen sich flockenbildende Mikroorganismen neue externe Substratquellen, indem über eine quasi hormonale Steuerung durch Mediatoren, wie Nucleosidpolyphosphaten, der Ausstoß von Exoenzymen initiiert wird. Zu diesem Zeitpunkt handelt es sich hauptsächlich um Hydrolasen, die hochmolekulare Kohlehydrat- und Fettverbindungen spalten können, wie Esterasen oder Glycosidasen /6 Ott/. Diese Polysaccharid – Lipoid – Hydrolasen bilden an der Zellaußenwand einen schleimigen Belag, der ebenso hohe Molekulargewichte und die gleichen Eigenschaften wie synthetische Flockulanten hat und damit zur Flockenbildung des Belebtschlamms führt. Durch diese Flockungswirkung hat dieser Schlamm einen niedrigen Schlammvolumenindex. 

Am Ende des Belebungsbeckens sind die organischen Substrate des Abwassers entsprechend der Gleichgewichtslagen der mikrobiologischen Systeme der jeweiligen Abwasserbehandlungsprozesse abgebaut. Diese Gleichgewichte liegen für Hochlastanlagen bei 40 ... 70 mg/l BSB5, für Schwachlastanlagen bei 15 ... 30 mg/l BSB5 und für Anlagen der weitergehenden Abwasserreinigung bei 6 ... 20 mg/l BSB5. Zu diesem Zeitpunkt ist die logarithmische Wachstumsphase beendet. Es schließen sich die Verzögerungsphase und die stationäre Wachstumsphase an. Aufgrund der auftretenden Nährstofflimitierung wird bei den Mikroorganismen eine als „stringent response" beschriebene Reaktion ausgelöst. Das bedeutet, dass nach einer sogenannten „Sparschaltung", bei der alle energie- und baustoffintensiven Reaktionen gehemmt werden, die Nutzung der inneren Reserven beginnt und nach neuen externen Substraten Ausschau gehalten wird. 

In der Verzögerungsphase wird die Synthese von stabilen Ribonukleinsäuren (rRNS, tRNS) gehemmt und alle aminosäureverbrauchenden Reaktionen reduziert oder gestoppt. Gleichzeitig werden solche Prozesse stimuliert, die zu einer Aminosäureakkumulation führen. Die Energie dafür wird aus den gespeicherten Phosphorverbindungen gewonnen. In der stationären Wachstumsphase beginnt ein allmähliches Absterben von Mikroorganismen, so dass sich Zuwachs- und Absterberaten angleichen. Der Rückgang der Proteinsynthese ist gleichzeitig mit einer starken Reduzierung der Zahl der Ribosomen in der Zelle verbunden. Bei Escherichia coli betragen diese z.B. ca.30.000, also etwa 50% des Zellgewichts, die nach Mangelerscheinungen binnen kurzer Zeit auf ca. 7.000 Ribosomen reduziert werden. 

Da in dieser Phase die Kohlenhydrate und externen Fettverbindungen im Abwasser bis zum Gleichgewicht abgebaut sind, werden schließlich Exopeptidasen (Amino- und Carboxypeptidasen) und Amidasen (Asparaginasen, ATPasen usw.) produziert, um die durch die eintretende Zellyse freigesetzten organischen Stoffe nutzen zu können. Die Mikroorganismen schalten auf den Eiweißstoffwechsel um und nutzen neben ihren eigenen inneren Reserven das Zellsubstrat der abgestorbenen Zellen. Der Zustand der endogenen Atmung ist erreicht. 

Die filamentösen Mikroorganismen weisen geringere Sättigungskonstanten in der Monod-Gleichung auf, als die Flockenbildenden. Sie kommen mit der Restkonzentration an Kohlehydrat- und Fettverbindungen aus und nutzen vorrangig die Substrate der Zellyse der Flockenbildner. Sie entwickeln deshalb keine flockenbildende Exoenzymschicht. Die bei der Autolyse der Zellen freigesetzten Purine und Polyphosphate wirken zusätzlich noch als Deflockulanten, so dass der Belebtschlamm sehr voluminös wird. 

Eine Schlüsselstellung bei der Erkennung dieser „Mangelerscheinungen" und der intrazellulären Umsetzung wird den Nucleosidpolyphosphaten zugewiesen. Die Nucleosidpolyphosphate haben eine hohe metabolische Labilität, wodurch eine rapide Fluktuation der intrazellulären Konzentration als Antwort auf Veränderungen der Umwelt erfolgt. Sie treten während der Verzögerungsphase auf. Kommen zu diesen C-Quellen- oder Aminosäuremangelerscheinungen noch andere Stressfaktoren wie Sauerstoffmangel hinzu, werden diese Vorgänge noch beschleunigt und weitere tiefgreifende stoffwechselregulierende Eingriffe, wie Aktivierung von Oxidoreduktasen (Dehrogenasen, Oxidasen), Transferasen und von verschiedenen Zytochromsystemen werden ausgelöst. 

Im Stadium der Autolyse der Zellen werden jedoch auch die gespeicherten organischen Phosphorverbindungen mit –P-O-P-Bindungen (Polyphosphate, Pyrophosphate) sowie Histidine freigesetzt. Diese Stoffe sind starke Chelatbildner (Metallionenkomplexe, die auch bei Anwesenheit von Fällmitteln in Lösung bleiben) und verhindern infolge ihrer Deflockulationswirkung die Koagulation des Schlamms. Ihre Wirkung ist der industriellen Produktion als „biologisch aktive Waschmittelzusätze" zur Stabilisierung von Suspensionen bekannt. Sie sind in äußerst geringen Konzentrationen (1 ... 5 ppm) hochwirksam. Bereits in einer Konzentration von 1 ppm bleibt Kalk in Lösung, die für die Flockungswirkung erforderliche CaCO3 – Bildung wird völlig blockiert. Eisensalze bleiben ebenso unwirksam. 

Die im Winter zur chemischen Phosphatfällung zugegebenen Metallsalze (Eisenchlorid oder Eisensulfat) reagieren während der Rezirkulation mit den Stoffwechselprodukten der Mikroorganismen und können zu Veresterungen und bei Verschiebung der Gleichgewichtslage zu Verseifungen sowie zur Reaktion mit Alkylresten zu Sulfonsäuren führen, wodurch eine starke Schaumbildung initiiert wird. Die Alkali- und Erdalkalisalze der Sulfonsäuren sind in Wasser gut löslich. Diese Reaktionen sind Photosynthesen, die unter dem Einfluss von sichtbarem Licht und ultravioletter Strahlung ablaufen.

 

3.2 Einfluss der internen und externen Rezirkulation auf die Zusammensetzung des Zellsubstrates

Betrachtet man zunächst die Rücklaufschlammführung ist festzustellen, dass die Aufenthaltsdauer in den Nachklärbecken und den Pumpensümpfen einen Einfluss auf die Zusammensetzung des Zellsubstrates ausüben. Im Rücklaufschlamm erfolgt eine rasche Zehrung des Gelöstsauerstoffs, so dass die Mikroorganismen auf die Nitratatmung umschalten und die Denitrifikationsprozesse bereits in der Nachklärung einsetzen. Bei zu langer Aufenthaltszeit kann das die Absetzvorgänge in Schwachlastanlagen negativ beeinflussen, in Anlagen mit Nährstoffeliminierung sind noch so viel interne Reservestoffe vorhanden, dass in dieser Stufe eine Autolyse der Zellen nur dann auftritt, wenn der Belebtschlamm übernormal lange in dieser Stufe verbleibt. 

Wird der Rücklaufschlamm über eine Rücklaufschlamm – Denitrifikationsstufe geführt, werden die exogenen Substrate im Stadium der Nitratatmung genutzt. Die Phosphoproteide werden dabei kaum reduziert. Das gleiche ist zu erwarten, wenn ein Teil der internen Rezirkulation solange in diese Stufe geleitet wird, solange die assimilierbaren Substrate äquivalent zum Nitratsauerstoff sind und keine Störung der Phosphatfreisetzung in der anaeroben Stufe eintritt. Der übrige Teil der internen Rezirkulation muß nach der anaeroben Stufe in die Denitrifikation (evtl. als „Steuerstufe" ausgebildet) erfolgen. Gelangt nun das denitrifizierte Rücklaufschlamm/Abwassergemisch in die anaerobe Stufe, nimmt der phosphatreiche Schlamm in dieser Stufe hydrolysierte niedermolekulare Substrate, wie Monosaccharide oder niedere Alkansäuren auf und speichert diese als Polyhydroxyalkansäuren (meist Polyhydroxybuttersäure) oder phosphorhaltige Fettsubstanzen (Phosphatid oder andere Phospholipide) in der Zelle /6 Ott/. Als Energie werden dafür die Phosphoproteide genutzt, die während der aeroben Phase zur Vermeidung einer Überhitzung der Zellen als Speichersubstanzen eingelagert wurden. Zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts des osmotischen Druckes der Zellen, damit der Zellinnendruck nicht zu groß wird, werden die an Proteine gebundenen Phosphate als ortho – Phosphat nach Depolymerisation teilweise wieder in die flüssige Phase ausgestoßen (Phosphatfreisetzung). Die Zellen sind nun wieder voller Fettverbindungen und können in der anschließenden Denitrifikationszone den Nitratsauerstoff veratmen. In der anschließenden aeroben Phase werden die in Form von Polyhydroxyalkansäuren gespeicherten Fettsubstanzen aufgebraucht und Kohlehydrate, meist in Form von Glykosiden, synthetisiert. Die im Citratzyklus synthetisierten Polyphosphate werden als Phosphoproteide gespeichert und der Prozess beginnt von neuem.

Wird der Denitrifikationsprozess durch Restkonzentrationen von Gelöstsauerstoff oder Temperatureinfluß gestört, kommt es zu einer verstärkten Autolyse der Zellen. Der Zellinhalt ist reich an Polyhydroxyalkansäuren, die zu Estern und Seifen reagieren. Diese Vorgänge werden stark durch das Puffervermögen und das elektrokinetische Potential des Abwassers beeinflusst. 

Veresterungen und deren Umkehrung die Verseifungen sind Gleichgewichtsreaktionen, die in ihrem Ergebnis vom quantitativen Verhältnis der Reaktionspartner abhängen. Für die Esterbildung gilt das Massenwirkungsgesetz

[Säure] * [Alkanol]      = K

                                                                                    [Ester] * [Wasser]

 Das heißt, wird der Zähler dieses Bruches durch höhere Konzentrationen vergrößert, muß sich auch die Konzentration des Esters vergrößern, da der Wert des Bruchs konstant ist. Der umgekehrte Vorgang ist eine Verseifung, bei der die Ester durch Wasser in Alkanole und Säure gespalten werden. Die Salze der Carbonsäuren sind Seifen. Die Alkali- und Ammoniumsalze der Carbonsäuren sind wasserlöslich und reagieren alkalisch. Carbonsäuren bilden mit Kalium weiche Schmierseifen, die auch in kaltem Wasser eine gute Schaumwirkung haben. Sie bilden mit Fett eine Emulsion und setzen die Oberflächenspannung des Wassers herab, worauf ihre Wascheigenschaft und ihr Schäumen beruht. Die gleiche Wirkung haben die Ammoniumseifen. 

Mit Fällmitteln, wie Eisen(III)-Chlorid, Calciumclorid oder Aluminiumsulfat werden Ausfallreaktionen der carbonsauren Salze ausgelöst. In hartem Wasser, das gelöste Calcium- und Magnesiumsalze enthält, wird mit den Calcium- und Magnesiumionen eine wasserunlösliche Seife gebildet, die schlecht schäumt. Mit Calciumchlorid wird Kalkseifegerinsel gebildet, mit Salzsäure kann beispielsweise die Carbonsäure aus ihrem Salz verdrängt werden. Die Carbonsäuretropfen schwimmen ohne Schaumbildung auf der Lösung. 

Die Siedepunkte einiger Alkane (z.B. 2,2-Dimethylpropan) und Amine (z.B. Dimethylamin) liegen im Schwankunkungsbereich der winterlichen Abwassertemperaturen (14…16°C), wodurch temperaturbedingte Besonderheiten auftreten können. Während bei höheren Temperaturen die Konzentration dieser Verbindungen im Wasser niedrig ist, nimmt sie nach Unterschreiten des Siedepunktes zu. Das kann zum Überschreiten der Schwellkonzentration (Threshold – Effekt) führen, wodurch die Reaktionen zur Synthese von schäumungsfähigen Substanzen ausgelöst werden.

 

4 Anforderungen an die Prozesssteuerung

Die Kontrolle von Prozessen, die auf solchen Mangel- und Stressbedingungen aufbauen, ist wegen der kurzen Intervalldauer der ablaufenden Prozesse schwierig. Das ist bedingt durch die Notwendigkeit der Steigerung des Energiestoffwechsels der Mikroorganismen und der angestrebten Reduzierung der Biomasseproduktion durch die Schaffung raum- und zeitabhängiger Konzentrationsänderungen des Substrates und des Gelöstsauerstoffs in den verschiedenen Reaktorzonen unter den wechselnden Belastungen und Temperaturbedingungen.

 

4.1 Konzentrationsänderungen des Gelöstsauerstoffs

Die Schaffung von kurzperiodischen Konzentrationsänderungen des Gelöstsauerstoffs, deren Intervalldauer an die Verzögerungszeit des mikrobiologischen Systems angepasst ist, ist besonders wichtig für die Freisetzung von Biopolymeren der Zellen der Mikroorganismen des Belebtschlamms sowie zur Erhöhung der Synthese von Exoenzymen und Erhöhung deren Aktivität und variiert mit den Tages- und Wochenganglinien der Belastung und mit dem jahreszeitlich bedingten Temperaturverlauf. Bei diesem Steuerungsprozess muß auf die Verhinderung der Hemmung der Aktivität oder der Synthese von Exoenzymen infolge steigender Konzentration von Metaboliten geachtet werden /2 Ott/. Einen wesentlichen Einfluss auf diesen Prozess bei Biofilmreaktoren hat die Fluidisierung des Trägermaterials. Diese bewirkt in den anoxischen und anaeroben Reaktorzonen durch eine geschlossene Decke auf der Oberfläche die Verhinderung des Eintrages von Luftsauerstoff über die Phasengrenzfläche. Dadurch wird keine Abdeckung dieser Reaktoren erforderlich. Andererseits sind die Mikroorganismen und Exoenzyme am Trägermaterial fixiert und müssen zur Gewährleitung einer ständigen Grenzflächenerneuerung fluidisiert werden.

 

4.2 Steigerung der Konzentration der Trockensubstanz

Trotz ständigen Abbaus der organischen Anteile ist eine Steigerung der Konzentration der Trockensubstanz im System zu gewährleisten. Das wird einerseits durch die Trägerfixierung der Mikroorganismen und der Exoenzyme und andererseits durch eine Steuerung der externen und der internen Rezirkulation erreicht. In den anoxischen Zonen ist durch Rührwerke zu sichern, dass einerseits eine geschlossene Oberfläche durch eine als Schwimmkornfilter wirkende Schicht von Trägermaterial gewährleistet und andererseits eine ausreichende Fluidisierung mit der erforderlichen Sohlgeschwindigkeit gesichert wird. Die Fluidisierung des Trägermaterials in der aeroben Zone muß durch die Ausbildung von Schlaufenströmung an den Belüftungseinrichtungen sichergestellt werden. In der anaeroben Reaktorzone ist so viel Trägermaterial wie möglich zu konzentrieren. In dieser Stufe laufen die hochwichtigen Hydrolysevorgänge durch die trägerfixierten Mikroorganismen ab, die die Voraussetzung für eine biologische Phosphateliminierung und die Aufrechterhaltung des Denitrifizierungsprozesses auch bei ungünstigen C:N – Verhältnissen sind.

 

4.3 Kontrolle der Ausgangskonzentrationen und des pH-Wertes

Die an der mikrobiellen Oxidation des Ammoniums über Nitrit zum Nitrat beteiligten Bakteriengruppen haben relativ geringe Wachstumsraten die durch hohe Ausgangskonzentrationen von NH4+, NO2- und NO3- stark gehemmt werden. Nur in einem sehr engen Bereich des pH-Wertes ist eine vollständige Nitrifikation zu erwarten /3 Ott/.

Bei hohen Konzentrationen dieser Verbindungen und bei niedrigen Temperaturen, infolge der niedrigeren Sättigungswerte der Gase, kann man eine Selbstregelung dieses Systems nicht mehr erwarten. Erschwert wird der Betrieb noch dadurch, dass die Nitrifikation durch die Bildung von H+ - Ionen selbst negativ in das Puffersystem eingreift. Im Gegensatz zur Nitrifikation führt die Denitrifikation durch die Bildung von OH- -Ionen zu einer Erhöhung der Pufferkapazität und des pH – Wertes. Deshalb ist auf eine ausreichende Verdünnung durch die externe und interne Rezirkulation zu achten. Das Gleichgewicht zwischen Nitrifikation und Denitrifikation muß deshalb, nicht nur aus energetischer Sicht, immer gewahrt werden, um einen Zusammenbruch des Systems zu verhindern.

Einen weiteren wesentlichen Einfluss auf die Nitrifikation hat die Relation zwischen der organischen Abwasserbelastung und der Stickstoffkonzentration im Zufluss. Je geringer der Quotient BSB: N im Zulauf zur Anlage ist, umso stärker wirken sich Belastungsschwankungen und Temperaturverhältnisse aus. Besonders ausgeprägt sind die Frachtschwankungen mit Überschuss an Kohlenstoffverbindungen am Tage und Mangel während der Nachtstunden /4 Peukert/. 

Auf dem Trägermaterial in der anaeroben Reaktorzone siedeln sich acetogene Bakterien an. Die groben Abwasserinhaltsstoffe, die in der als Schwimmkornfilter wirkenden Trägermaterialschicht zurückgehalten werden, werden von diesem „Biofilm" hydrolysiert und damit auch in Zeiten geringen Zuflusses immer ein ausreichendes Kohlenstoffangebot sichergestellt und eine Vergleichmäßigung des BSB: N – Verhältnisses erzielt. 

Durch die vorgeschaltete Denitrifikationsstufe wird eine positive Beeinflussung des pH – Wertes in der Nitrifikationsstufe erreicht. Voraussetzung dafür ist jedoch die verfahrenstechnische Abkopplung des Stoffwechsels der Mikroorganismen im Biofilm der anaeroben Reaktorzone vom Stoffwechsel der Mikroorganismen in der Wasser-Belebtschlamm-Suspension, die durch alle Reaktorzonen zirkuliert.

 

4.4 Steuerung der Stoffwechseltätigkeit der Mikroorganismen

Während des Wechsels von aeroben zu anaeroben Reaktorzonen ändert sich der Inhalt der Zellsubstanz der Mikroorganismen grundlegend. In der aeroben Zone werden Polyphosphate, sogenannte „Valutingranula" in die Zelle eingelagert, deren Konzentration mit ständigem Wechsel der Milieubedingungen steigt (Phosphatschlamm). In der anaeroben Phosphatfreisetzungszone werden diese Polyphosphate depolymerisiert und ausgestoßen und mit der Zeit immer größere Fettpolster (niedere Alkanhydroxysäuren) eingelagert, die unter anoxischen und vor allem aeroben Milieubedingungen wieder ausgestoßen werden. Werden die Zyklen der Polyphosphat- und Fettspeicherung, zum Beispiel bei niedrigen Temperaturen, gehemmt, tritt eine übermäßige Fettspeicherkonzentration in den Zellen auf. Nach Überschreiten einer Schwellkonzentration ist damit eine Dispersionsstabilisierung durch Fettsäurekondensationsprodukte im Schlamm verbunden. Endogene Fettspeicherstoffe führen bei übermäßiger Konzentration zu Stoffwechselproblemen. Der Übergang zum Eiweißabbau wird stark verzögert, das Ester – Seife – Gleichgewicht verschoben. Die Folge bei starker Begasung dieses Schlamms ist eine verstärkte Schaumbildung /3 Ott/ und die Möglichkeit der Nutzung der nicht abgebauten Eiweißverbindungen zur raschen Entwicklung durch die Fadenbildner, weil diese durch die zurückgehenden Flockenbildner nicht mehr in ihrer Entwicklung gehemmt werden. 

Weiterhin werden bei zu geringem Substratangebot die Substrate der lysierten Zellen, wie Oligopeptide und Aminosäuren als assimilierbare Bausteine genutzt. Damit geht ein auslösender Faktor für die Initiierung der Exoenzymbildung (Aminosäuremangel) verloren. Die Prozesse der Phosphateliminierung und der Denitrifikation können dadurch zusammenbrechen. 

Die extrazellulären Proteasen haben die Wirkung von biogenen Flockulanten, die der von synthetischen Flockulanten hinsichtlich des Molekulargewichtes und der Flockungseffektivität vergleichbar sind. Wenn deren Produktion gehemmt wird, verliert der Belebtschlamm seine guten Flockungseigenschaften. Eine besondere Bedeutung haben in dieser Hinsicht neben Pyrophosphaten und Purinen die Hexonbasen und dabei besonders Histidin. Diese Aminosäure wird nur in der Wachstumsphase benötigt. Sie ist Bestandteil des aktiven Zentrums vieler Enzyme, wo sie zur Erkennung und Bildung negativ geladener Substrate und anionischer Cofaktoren dient. Ihre besondere Stellung wird dadurch unterstrichen, dass sie als einzige proteinogene Aminosäure im physiologischen pH – Bereich 6...8 als Pufferkapazität wirksam ist. Sie geht besonders stabile Komplexbildung mit Metallen ein. Dadurch kann eine Rücklösung von Schwer- und Erdalkalimetallen aus dem Schlamm erfolgen. Die metabolischen Chelatbildner lösen durch Komplexbildung die Ca2+ - Ionen aus der Lipopolysaccharidschicht, die die Mikroorganismen umgibt. Sie lösen auch Schwermetalle, die zum Ladungsausgleich mit den zu hydrolysierenden Substraten, wie den ebenfalls negativ geladenen Polysacchariden, benötigt werden. Dadurch wirken Histidin und einige seiner Biosynthesevorstufen nach Überschreiten einer Schwellkonzentration als Deflockulanten. Die Schlammflocken lösen sich auf und der Schlammvolumenindex nimmt stark zu. Nach Zerfall der dominierenden Flockenbildner haben wieder bestimmte Fadenbakterien die Möglichkeit für ein rasches Wachstum, wobei sie die Aminosäuren der lysierten Zellen nutzen. 

Verbunden mit dem Ende der stationären Wachstumsphase der Flockenbildner ist eine Verschiebung des pH – Wertes des Belebtschlamms in den alkalischen Bereich, der dadurch negativ geladen ist. Diese Änderung des Elektrodenpotentials hat neben der Beeinflussung der Molekülgröße Auswirkungen auf die Wanderungsgeschwindigkeit der Teilchen im elektrischen Feld und beeinflusst die Lysierung der Zellen. Die Säurekapazität sinkt bei ungenügender Denitrifikation auf den kritischen Wert von 1,5 mmol/l. Es müssen unter diesen Bedingungen Maßnahmen zur Erhöhung der Säurekapazität ergriffen werden.

 

Literatur:

/1/ Dr.-Ing. Werner Sternad, Dr. Brigitte Kempter: Schaumbildung in der biologischen Abwasserreinigung - Ursachen und Gegenmaßnahmen

Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik Stuttgart

/2/ Dr.-Ing. Peter Ott: Neue Verfahren der Wasserbehandlung auf der Grundlage der Biotechnologie,

Wasserwirtschaft – Wassertechnik 8 (1988)

/3/ Dr.-Ing. Peter Ott: Treatment plants for biological nitrogen removal from landfill leachate

Paper 2 given at German-Chinese Special Waste Seminar; University Beijing; Dec. 1994

/4/ Dr. V. Peukert: Mit Aufwuchsträgern gegen Stickstoff und Phosphat

Institut für Wasserwirtschaft, Berlin

/5/ Dr.-Ing. Peter Ott: Using autochthonous enzymes in compact reactors for sludge stabilisazation and thickening in sewage treatment plants

Report given at World Congress "Biotechnology 2000" ,Moscow 1988

/6/ Dr.-Ing. Peter Ott Behandlung von Abwasserschlämmen, die bei der biologisch-chemischen Phosphatfällung anfallen

Wasserwirtschaft – Wassertechnik 7 (1988)