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Biologische Abwasserbehandlung mit Wirbelbettreaktoren

(MBBR-prozess)

 

Zur Entfernung von organischen Stoffen, Phosphor und Stickstoff aus dem Abwasser wird ein biologischer Prozess genutzt. Eine hohe Prozessstabilität, besonders bei hydraulischen Stoßbelastungen, Unter- oder Überbelastungen des Systems mit Frachtschwankungen sowie eine Totalnitrifikation und sehr anspruchsvolle Zielstellungen für die geforderten Ablaufparameter können durch Kombination des Belebtschlammprozesses mit einer Wirbelbett-Biofilmtechnologie (MBBR) erreicht werden. Diese Biotechnologie für die effektivere Elimination von Nährstoffen während der traditionellen Abwasserbehandlung wurde von uns in den Jahren 1984 bis 1989 entwickelt.  

Seit 1989 wurde diese Wirbelbett – Biofilmtechnologie in mehr als 170 Abwasserbehandlungsanla-

gen aller Größenordnungen von 50 bis 50.000 Einwohnergleichwerten in Betrieb genommen. Der größte Teil der Mikroorganismen, die die Reinigung des Abwassers von organischen Stoffen, Stickstoffverbindungen (Nitrifikation des Ammoniums und Denitrifikation der oxidierten Stickstoffverbindungen) sowie die Phosphoreliminierung bewirken, wächst bei dieser Verfahrenskombination auf einem zylindrischen Trägermaterial auf, das mechanisch und biologisch resistent ist. Der Durchmesser dieser Trägerteilchen für den Aufwuchs der Mikroorganismen (Biofilm) beträgt im allgemeinen 3 bis 8 mm, die Länge 4 bis 8 mm. Das Trägermaterial hat eine spezifische Aufwuchsfläche für den Biofilm von 800 bis 950 m2pro m3 eingebrachtes Trägermaterial. 

Die Mikroorganismen, die in diesem Biofilm konzentriert sind, haben in Abhängigkeit von den Milieubedingungen der jeweiligen nacheinander folgenden Behandlungsstufen hocheffiziente spezialisierte Stoffwechselwirkungen. In den unbelüfteten, anaeroben Reaktorsektionen erfolgt eine Versäuerung und die Hydrolyse der organischen Substanzen, deren Resultate von den phosphoreliminierenden Mikroorganismen und den Denitrifikanten benötigt werden. In den unbelüfteten Reaktorsektionen, in denen zwar kein gelöster Sauerstoff, jedoch noch als Nitrat chemisch gebundener Sauerstoff vorhanden ist, erfolgt eine Reduktion der oxydierten Stickstoffverbindungen zu gasförmigem Stickstoff, der in die Atmosphäre entweicht. In den belüfteten turbulenten Reaktorsektionen wird durch den Stoffwechsel der Mikroorganismen im Biofilm die Oxydation von organischen Substanzen und die Nitrifikation des Ammoniums bewirkt.   

Die grobdispersen und gelösten organischen Stoffe (fäulnisfähige Substanzen) und Nährstoffe (Stickstoff- und Phophorverbindungen) werden in die Biomasse, hauptsächlich in den Biofilm auf dem Trägermaterial und in die Belebtschlammflocken, die bei dieser Verfahrenskombination sehr gut absetzbar sind, eingelagert. Die Biomasse auf dem Trägermaterial hat einen hohen Grad von Spezialisierung der Mikroorganismen speziell für die Nährstoffeliminierung, die Nitrifikation und Denitrifikation sowie die Versäuerung und Hydrolyse organischer Stoffe. Die Konzentration von Mikroorganismen im Belebungsbecken ist etwa fünfmal höher als beim einfachen Belebtschlammprozeß, obwohl die Konzentration in der flüssigen Phase zur Erzielung guter Ablaufbedingungen in der Nachklärung eher niedriger eingestellt werden kann. 

Die höhere Biomassekonzentration im Belebungsbecken bewirkt eine höhere Effektivität und Prozessstabilität ohne eine negative Beeinträchtigung der Nachklärbecken, was beim klassischen Belebtschlammprozess nicht verhindert werden kann. Für die Bemessung der Nachklärbecken kann bei dieser Verfahrenskombination in den Belüftungsbecken mit einer suspendierten Biomassekonzentration von 2 bis 5 kg TS/m3 gerechnet werden, obwohl die tatsächliche Konzentration einschließlich Biofilm in der Regel bei 12 bis 16 kg TS/m3 liegt. Die Biomasse auf dem Trägermaterial beeinflusst also die Dimensionierung der Nachklärbecken nicht negativ, obwohl sie wesentlich größer als die der suspendierten Belebtschlammflocken ist. Der Schlammvolumenindex des gut absetzbaren Belebtschlamms liegt im Bereich von 70 bis 100 ml/g. 

Die trägerfixierte Biomasse bleibt durch eine spezielle hydraulische Rückhaltung immer in den jeweiligen Reaktorsektionen unabhängig von hydraulischen oder frachtabhängigen Stoßbelastungen. Sie wird also nicht wie beim klassischen Belebtschlammprozess dann ausgetragen, wenn sie zum Abbau von Belastungsstößen benötigt wird. Dieses hydraulische Rückhaltesystem garantiert, im Gegensatz zu mechanischen Einrichtungen wie Sieben oder Netzen, dass die Reaktoren absolut verstopfungssicher sind.  

Das Wirkungspotential der suspendierten Belebtschlammflocken (in der Regel nur für die interne Rezirkulation für die biologische Phosphorelimination) und der Mikroorganismen in Form des Biofilms auf den Aufwuchsträgern werden bei diesem Prozess effektiv miteinander kombiniert. In den anaeroben Zonen mit schwimmenden Trägermaterialschichten mit Schwimmkornfiltereffekt  erfolgt eine Versäuerung und Hydrolyse der organischen Stoffe des Abwassers, in den anoxischen Zonen ohne Belüftung erfolgt in den dort befindlichen fluidisierten Trägermaterialschichten die Denitrifikation und in den belüfteten aeroben Zonen in Abhängigkeit von der Intensität der Belüftung in einem ideal durchmischten turbulenten oder fluidisierten Bett die Nitrifikation und Oxydation der organischen Substanzen. Dadurch werden bei diesem Prozess keine externen Kohlenstoffverbindungen (Äthanol, Methanol usw.) benötigt, jedoch muß die Effektivität der Vorklärung entsprechend reduziert werden. 

Ein wesentlicher Vorteil dieser Prozeßführung liegt darin begründet, dass die Menge des Aufwuchsträgermaterials den jeweiligen Anforderungen an die Reinigungsleistung angepasst werden kann, ohne daß das Auswirkungen auf das benötigte Reaktorvolumen hat. Saisonale Belastungsschwankungen werden deshalb sicher abgefangen. 

Ablaufwerte mit biologischer Phosphoreliminierung bis zu 0,1 bis 0,5 mg/l, NH4-Konzentrationen von 0,1 bis 0,6 mg/l, Gesamt-anorganischer-Stickstoff von 6 bis 9 mg/l und CSV-Konzentrationen von 23 bis 60 mg/l werden in Abhängigkeit von der Trägermaterialmenge bei kommunalem Abwasser, auch bei schwierigen BSB/TKN-Verhältnissen erreicht. Sind die Anforderungen an die Reinigungsleistungen geringer können bis zu 60 % Reaktorvolumen eingespart werden, und steigenden Belastungen oder höheren Anforderungen ohne bauliche Maßnahmen nur durch Zugabe weiterer Träger Rechnung getragen werden. 

Ein Vergleich hat gezeigt, dass dieser Prozess die besten ökonomischen Ergebnisse bringt (niedrigere Investitions- und Betriebskosten) und technologisch für die Abwasserreinigung die höchste Betriebssicherheit und Prozeßstabilität gewährleistet. Die Prozeßführung macht es möglich, die biologische Phosphor- und Stickstoffelimination auch effektiv in traditionellen Kläranlagen anzuwenden, deren Volumen bisher nur für eine Oxydation der fäulnisfähigen organischen Substanzen ausreichte.  

Das erste Becken wird als Phosphatfreisetzungsbecken genutzt. Die Biomasse auf dem Trägermaterial in diesem Beckenteil versäuert und hydrolysiert die organischen Stoffe im Abwasser. Der zugeführte Teil des Rücklaufschlamms nimmt diese einfach assimilierbaren niedermolekularen Substanzen auf, speichert sie als Hydroxibuttersäure und setzt Polyphosphate (Valutingranula) in die flüssige Phase frei. Eine Voraussetzung dafür ist, dass weder gelöster Sauerstoff noch als Nitrat chemisch gebundener Sauerstoff in diesem Reaktorteil vorhanden sind. Das Trägermaterial wirkt als Schwimmkornfilter und wird mit einem Rührwerk umgerührt. In dieser Schicht werden alle groben und grobdispersen organischen Stoffe durch die Mikroorganismen, die sich auf dem Trägermaterial befinden, hydrolysiert. In der nachfolgenden Denitrifizierungsstufe werden die Hydrolyseprodukte als Wasserstoffdonatoren zur weiteren Denitrifizierung des Nitrates eingesetzt.    

Die Belebungsbecken sind in der Regel Kaskadenbecken. Im Zufluss zu jeder Straße ist ein Denitrifikationsreaktor vorgesehen, dessen Volumen für die Denitrifikation des Rücklaufschlamms und des zufließenden Wassers bemessen wird. Diese Sektion wird mit einem Rührer ausgerüstet. 

Die Trennung der Stoffwechselprozesse des Biofilms (Versäuerung und Hydrolyse) vom Stoffwechselprozeß des suspendierten Rücklaufschlamms (Phosphatspeicherung und Denitrifikation) führen zu einer hohen Spezialisierung der Mikroorganismen, wodurch extrem kurze Aufenthaltszeiten möglich werden. Bei nicht ausreichendem Kohlenstoffangebot können noch verbleibende Phosphatkonzentrationen durch Dosierung von dreiwertigen Metallsalzen ausgeflockt werden.   

Die nächste Sektion im Belebungsbecken wird als Steuerstufe zur Kompensierung von wöchentlichen oder jahreszeitlichen Frachtschwankungen genutzt. Diese Reaktorsektion kann sowohl für die Nitrifikation als auch für die Denitrifikation genutzt werden. Sie wird sowohl mit Belüftern als auch mit Rührern ausgerüstet. 

Die Beckenteile für die Nitrifikation und Denitrifikation werden zu Beginn mit ca. 20 bis 30 % Trägermaterial gefüllt, so dass eine Biofilmbelastung bis zu 5 g BSB/m² Biofilm erreicht wird. Eine totale Nitrifikation ist bei einer internen Rezirkulation von 450 % möglich. Maximal können diese Stufen bis über 60% mit Trägermaterial gefüllt werden, so dass noch eine ausreichende Reserve für Frachtspitzen oder spätere Erweiterungen vorhanden ist. Die Scherkräfte im Wirbelbett gewährleisten, dass immer ein dünner, hocheffektiver Biofilm vorhanden ist. 

Die Mikroorganismen werden mit Sauerstoff durch eine feinblasige Belüftung versorgt. Der benötigte Sauerstoff wird in das System über Membranbelüfter eingetragen. Der eingetragene Sauerstoff aus der Atmosphäre hält gleichzeitig das Becken in Turbulenz. Der Eintrag des Sauerstoffs in das Abwasser ist abhängig von der Eintauchtiefe der Membranbelüfter. Die maximale Tiefe der Belebungsbecken hängt von der Leistungsfähigkeit der Gebläse ab. Sie wird in der Regel mit einer Wassertiefe von ca. 5 m festgelegt. In der Referenzanlage KA Köthen wurden mit diesem System Sauerstoffertragswerte von 5,2 kg O2 /kWh im Reinwasser erreicht. Der alpha-Wert beträgt bei diesem System 0,8. 

Eine Entgasungzone wird am Ende des Belebungsbeckens vor dem Ablauf vorgesehen. Dort wird das gebildete CO2, die verbliebene Luft und andere gasförmige Substanzen abgetrennt. Die internen Rezirkulationspumpen für die Denitrifikation werden in der Entgasungszone installiert. Jede Pumpe ist drehzahlgeregelt. Diese Pumpen fördern gleichzeitig eine definierte Menge Trägermaterial zur Rezirkulation in die Denitrifikationsstufe zurück. 

Diese Wirbelbett-Biofilm-Technologie eignet sich besonders für die Ertüchtigung vorhandener Kläranlagen, die nach dem klassischen Belebtschlammverfahren arbeiten. In der Regel kann im vorhandenen Beckenvolumen durch Einsatz der Träger für den Biofilm eine Stickstoff- und Phosphoreliminierung durchgeführt werden. Durch die sehr kompakte Bauweise sind eine geringe Flächeninanspruchnahme und gute Einbindung der Anlagen in die Landschaft, besonders in sensiblen Schutzgebieten, gegeben. Die Biofilmträger auf den anaeroben und anoxischen Beckenabschnitten erledigen gleichzeitig die Deodorierung von Geruchsstoffen durch die Abwasserbiologie, weshalb keine Geruchsbelästigung auftritt. Lärmbelästigungen treten nicht auf, weil keinerlei mechanische Lärmquellen an den Reaktoren vorhanden sind.  Besonders für saisonale Belastungsschwankungen und für zunehmende Anforderungen an die Reinigungsleistung ist dieses Verfahren wegen seiner extrem hohen Stabilität und Betriebssicherheit auch in kleinen Anlagen sehr gut geeignet.  

Die Trägerbiologie erzeugt weniger Überschußschlamm als eine klassische Belebtschlammanlage, sie ist in dieser Hinsicht etwa mit einer Tropfkörperbiologie vergleichbar. 

Durch die Verwirbelung der Luft mit den perlenförmigen Trägern wird eine rationelle Energieausnutzung beim Sauerstoffeintrag erreicht.